Korridore. Endlose Korridore, durchflutet von sterilem, weissem Licht, das flackernden Neonröhren entspringt. Schier unendlich, mit zahllosen Verzweigungen und Sackgassen gespickt, erstrecken sie sich in alle Richtungen, einem Irrgarten ebenso gleich wie einem Gefängnis. Meinem Gefängnis. Entschlossen schreite ich voran. Ich werde diesen Ausgang finden! Ich muss!
Das klappernde Geräusch meiner Schritte auf dem kalten Betonboden wird von den weiss verputzten Wänden leise widerhallt. Es ist nebst der ab und zu klickenden Beleuchtung an der Decke das einzige vernehmbare Geräusch und dennoch fühle ich mich auf eine seltsame Weise verfolgt. Doch ich hüte mich davor zurückzuschauen. Stattdessen beschleunige ich meinen Gang, drücke meine Schultern nach hinten und richte mich möglichst selbstbewusst auf. Falls mir wirklich jemand nachstellt, soll er glauben, dass ich mich nicht fürchte. Was für eine Lüge!
Während sich mein Blick irgendwo zwischen dem unschuldigen Weiss der Wände, dem Beton und sterilen Licht verliert, quellen die Bilder meiner Erinnerungen allmählich aus meinem Unterbewusstsein hervor. Es sind düstere Bilder, voller Blut, Leid und Elend, voller Angst. Sie zeigen, wie brutal das Leben sein, wie erbarmungslos das Schicksal zuschlagen kann. Weinende Kinder, markerschütternde Schreie, Schüsse aus verschiedensten Gewehren geistern in meinem Kopf herum und lassen mich nicht los. Früher waren solche Szenen meine schrecklichsten Alpträume gewesen, heute aber ist es die nackte Wirklichkeit. Sie hatten mir Mut zugesprochen, beteuert, es wäre ganz einfach, den Weg unter der Grenze hindurch zu finden, während ich mich für meine Aufgabe wappnete. Ich war Hoffnungsträger eines ganzen Lagers, ein Funke, der die Dunkelheit erhellt und die Chance hat, ein riesiges Feuer zu entfachen. Doch was geschieht, wenn dieser Funke ins Wasser fällt? Wenn er unter einem jämmerlichen Zischen erlischt und nichts als einen kleinen Splitter schwarzglänzender Kohle übrig lässt? Was ist, wenn all die Mühe, den Funken zu entfachen, vergeblich war? Was dann?
… das Ende der Geschichte kannst Du im Bleiwiis-Buch 2015 nachlesen.