Sarah Moser

Sarah Moser – True Abduct

bleiwiis 2013 Anerkennungspreis Kat. 1

„All I do is win“, schreibe ich und kaue an meinem Stift. Immer wenn ich inspiriert bin schreibe ich irgendwelche Sachen auf. Wer weiss, vielleicht werde ich mal berühmt und schreibe Songs und Drehbücher für Robbie Williams oder Britney Spears. „All I do is win“, flüster ich leise und schaue auf den Boden. „Gibt es schon“, murmelt Valerie und starrt gedankenverloren auf ihr aufgeschlagenes Matheheft. „Was denn“, frage ich sie und blicke auf. Sie nimmt ihr Handy und einige Sekunden später läuft ein Song. Ein Rap. All I do is win. Ich hab das Gefühl, dass es alles schon irgendwo mal gegeben hat. Wir sitzen auf meinem Bett und haben unsere Mathematikhefte aufgeschlagen. Eigentlich sollten wir für die anstehende Prüfung lernen, doch wir machen wie immer ganz etwas anderes. „Wie findest du eigentlich den neuen Kinofilm „Mirrors“?“ Fragt sie mich und klappt ihr Heft zu. „Keine Ahnung, ich steh nicht so auf Horrorfilme. Warum fragst du?“ „Ich dachte, dass wir den vielleicht heute Abend zusammen schauen.“ Plötzlich reisst jemand die Tür auf und wir schrecken zusammen. Stefan, mein jüngerer Bruder, hat es sich zur Aufgabe gemacht, mich immer und überall zu nerven wo es nur geht. „Was willst du“, frage ich ihn und stehe auf. „Ach, Nichts. Ich wollte nur mal wieder meine Lieblingsschwester sehen…“, antwortet er und lächelt uns zuckersüss an. „Wer’s glaubt. Stefan. Raus. Jetzt.“ „Nö.“ „Ich hol sonst Mama. Dann kriegst du wieder Hausarrest. Willst du das?“ „Nö.“ „Stefan!“ „Ja, schon gut. Bin schon weg“, brummt er und zischt mit einem saudoofen Grinsen ab. Ich seufze und sage zu Valerie: „Sei froh, dass du keine Geschwister hast.“ „Ich hätte gern eine kleine Schwester. Du etwa nicht?“ Fragt sie mich und packt ihre Sachen ein. „Nein“, antworte ich. „Ich muss dann mal los. Wenn du noch Bock auf Kino hast kannst du mich anrufen. Bin bis 8 Uhr noch erreichbar.“ Nachdem ich sie zur Tür gebracht habe, gehe ich in die Küche und hol mir was zu Trinken. Zurück in meinem Zimmer lege ich mich aufs Bett und starre die Decke an. Manchmal stelle ich mir vor, dass ich eine berühmte Schriftstellerin bin und ein Haus am See habe. So ein Dasein als Schriftstellerin wäre schon was Tolles. Auf einmal bekomme ich Lust, etwas aufzuschreiben. Ehe ich mich versehe, habe ich ein Blatt vor mir und einen Stift in meiner Hand:

An diesem Tag waren die Sommerferien vorbei. Es war der erste Tag auf dem neuen Internat. Es schüttete wie aus Eimern und es war ziemlich kalt für diese Jahreszeit.
Ich sass im Auto und musterte die Umgebung. Emotionslos verabschiedete mich meine Mutter. Ich kam aus einem wohlbehüteten und wohlhabenden Haushalt. Meine Eltern hatten sich vor so langer Zeit getrennt. Nach nur 2 Wochen war meine Mutter mit Phil zusammen. Er war wie ein richtiger Vater für mich. Hörte mir immer zu und war immer da für seine kleine „Prinzessin“, wie er mich stets nannte. Ich stieg also aus und vor mir ragte ein altes Gebäude in die Höhe. Es machte keinen freundlichen Eindruck, so wie auch schon der Name: Internat Finstingen. So oft waren wir schon umgezogen, doch hier sollte ich studieren. Ich liess meinen Blick schweifen und erblickte meine beste Freunde, die gerade auf mich zu gerannt kam. „Catherine! Catherine!“ Rief sie und wir beide fielen uns in die Arme. Sie war ganz aufgeregt. „Wie schön dich zu sehen! Wie war dein Sommer? Was gibt es neues? Ich muss dir so unglaublich viel erzählen. Du hast mir so gefehlt! Komm mir gehen rein, gleich beginnt die Begrüssung im Hof.“ Bevor ich überhaupt was erwidern konnte, nahm sie mich bei der Hand und begann von ihren Ferien in Spanien zu erzählen. Ich war so in Gedanken, dass ich nur wenige Wortfetzen wie „Strand“, „warm“ und „Wetter“ mitbekam. Schliesslich waren wir im Hof angekommen. Wir nahmen Platz und ein älterer Herr mit wohlgenährter Statur begann von irgendwelchen Sachen zu berichten. Scheinbar war sein Publikum bereits nach wenigen Sekunden auf Schlafen gestellt, ich und Christa eingeschlossen. Als der Olle bemerkte, dass seine Geschichten wenig Interesse ernteten, sprach er noch einen Schlusssatz und räumte den Platz. Er sah beinahe wie Christas kleiner Bruder aus, wenn dieser etwas nicht bekam, was er unbedingt haben wollte. Nachdem sich noch andere sonderbare Lehrer den Frust von der Seele geredet hatten, konnten wir endlich unsere Zimmer beziehen. Passend zu dem Gebäude waren die Zimmer eingerichtet. Ohne etwas Herzliches. Die Betten standen einfach ganz penibel in je einer Ecke. Als Christa meinen schockierten Blick sah, meinte sie nur: „Keine Sorge, wir werden es und schön herrichten.“ Ich setzte mich auf ein Bett und musste schmunzeln. „Weisst du, eigentlich ist das hier ein Internat für Leute mit etwas mehr Geld“, sagte ich. „Worauf willst du hinaus, Catherine?“ „Hier ist es so wie in einem Gefängnis. Verstehst du? So ohne etwas Herzliches und dafür zahlen unsere Eltern so viel Geld.“ Christa musste lachen. „Ich kenne jemanden“, sagte sie, „der hier studiert hat und er hat immer gesagt, dass es ihm sehr gefallen hat. Catherine mach dir nicht immer gleich so viele Gedanken. Lass es auf dich zukommen.

… das Ende der Geschichte kannst Du im Bleiwiis-Buch 2013 nachlesen.